ICOM Deutschland ist Mitglied des Network of European Museum Organisations (NEMO), ein unabhängiges Netzwerk nationaler Museumsorganisationen, das die Museumsgemeinschaft der Mitgliedsstaaten des Europarats repräsentiert. In diesem Jahr fokussierte sich die Arbeit von NEMO auf die Themen Diversität und Inklusion. Im Rahmen dessen fand im November 2024 die europäische Museumskonferenz unter dem Titel „Can we talk? Museums facing polarisation” statt. Gastgeber war das ASTRA Museum in Hermannstadt, Rumänien, das größte Freiluftmuseum Europas. Das Programm bestand hauptsächlich aus Panels und Workshops und wurde von Museumsbesuchen in Hermannstadt und Karlsburg gerahmt. Als Vertreterin des ICOM Deutschland Young Professionals Netzwerks habe ich, Svenja Gründler, für ICOM Deutschland an der Konferenz teilgenommen und berichte in diesem Artikel von meinen Tagungseindrücken.
Die Konferenz begann mit einer Keynote von Meta Knol, freie Kuratorin aus den Niederlanden, die die Frage stellte: „Wer glaubt, dass wir in einer Welt voller Krisen leben?“ Daraufhin gingen im Fachpublikum fast alle Hände nach oben. Bei der Nachfrage „Und wer glaubt, dass wir etwas dagegen tun können?“ meldete sich auch die Mehrheit der Anwesenden. In diesem zuversichtlichen Geist wurde an den folgenden zwei Tagen über europäische Museen in Zeiten von Polarisierung diskutiert: über Museen und ihre Mitarbeitenden, die sich zunehmend von Krieg, Ausgrenzung, politischer Einflussnahme und Sparmaßnahmen konfrontiert sehen.
Ein Highlight der Konferenz waren die Interventionen von jungen Museumsmacher*innen, die in kurzen Zwischenbeiträgen Themen wie die Repräsentation von Sinti*zze und Rom*nja oder der LGBTQIA+ Community in Museen bis hin zu Seenotrettung in Italien ansprachen. In diesem Rahmen stellte der Kunsthistoriker Arent Boon die neue NEMO Publikation LGBTQIA+ Inclusion in European Museums – An Incomplete Guideline vor, die ich allen gern ans Herz legen möchte, weil sie viele konkrete Tipps liefert, wie Museen zu LGBTQIA+-inklusiven Organisationen werden können.
Im Panel „Can we talk?” ging es um die Arbeit mit Communities, eine Aufgabe, die in der Museumsdefinition von ICOM fest verankert ist. Zwei spannende Graswurzelorganisationen stellten sich vor: das Intercultural Museum Oslo und das Museum of Transology aus England. Der Kurator des englischen Museums, E-J Scott, berichtete wie die Sammlung, die das Leben von trans, nicht-binären und intersexuellen Menschen repräsentiert, von der Community selbst zusammengetragen und in regelmäßigen ehrenamtlichen Treffen katalogisiert wird. Sein beeindruckender Vortrag löste bei einigen Teilnehmer*innen im Raum ein mulmiges Gefühl aus. Denn E-J Scott berichtete auch von einem rumänischen Gesetz gegen LGBT-Aufklärung in der Öffentlichkeit. Angesichts seines Vortrags hätte er also auf der Bühne verhaftet und für bis zu fünf Jahre in ein Frauengefängnis geschickt werden können. Wie wichtig es ist, dass Museumsorganisationen Räume für solch sensible Themen öffnen und dabei den Schutz der Beteiligten sicherstellen, wurde hier sehr deutlich.
Aus Deutschland sprach u. a. Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, über die Herausforderungen von europäischen jüdischen Museen angesichts des Krieges und steigenden Antisemitismus. Außerdem stellte Patricia Rahemipour, Direktorin des Instituts für Museumsforschung, eine Studie zu Vertrauen in Museen vor. Das Fazit lautete: Museen werden von der Bevölkerung als sehr vertrauenswürdige und unparteiische Informationsquellen gesehen. Gerade deshalb sei es auch notwendig, Stellung zu beziehen.
Dementsprechend lautete der Call to Action am Schluss der Konferenz: „Speak up!“ Polarisierende Themen anzusprechen, Aktivist*innen ins Museum einzuladen und sich (und sein Budget) für Minderheiten einzusetzen, ist wichtiger denn je. Denn: Museen sind nicht neutral.
2025 wird sich NEMO den Themen „Wellbeing, Health and Sustainable Communities“ widmen. Die nächste NEMO Konferenz wird vom 26. bis 28. Oktober 2025 im Gefängnismuseum in Horsens, Dänemark, stattfinden. Nicht verpassen!
Englische Berichte zur Konferenz sind hier zu finden: NEMO Tag 1 & NEMO Tag 2.
Svenja Gründler studierte Museumskunde und Kunstwissenschaft in Berlin und Kopenhagen. Nach einer Station bei der Stiftung Humboldt Forum ist Svenja Gründler seit 2022 als Projektkoordinatorin der JMB App am Jüdischen Museum Berlin tätig und seitdem auch im ICOM Deutschland Young Professionals Netzwerk aktiv.
Das ICOM Deutschland Young Professionals Netzwerk ist immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern. Wir freuen uns über Nachrichten an